Johannes Amann – ein Pfarrer mit Leib und Seele
Gustl Frech, Königsheim
Als Johannes Amann im Oktober 2004 als Pfarrer auf dem Heuberg mit „Pauken und Trompeten“ begrüßt wurde (so titelte damals der Heuberger Bote), bestand zwar bereits die Seelsorgeeinheit Oberer Heuberg, aber sie existierte noch in zwei weitgehend selbständigen Teilen mit Böttingen und Bubsheim als Zentren. Investiert wurde Johannes Amann damals als Pfarrer in Böttingen, Mahlstetten und Königsheim. Bereits in den ersten Wochen konnten die Heuberggemeinden ihren neuen Pfarrer als einen außerordentlich umgänglichen Seelsorger kennen lernen, der die Angewohnheit hat, sich nach jedem Gottesdienst von seinen Gläubigen mit Handschlag an der Kirchentür persönlich zu verabschieden. Sie erkannten schnell seine lebendige und kreative Ader, lernten seine liturgische Vielfalt schätzen und warteten darauf, dass er in den Gottesdiensten zur Gitarre griff. Eine Predigt zweimal zu halten widerspricht seinem Naturell, und es kam nur vor, wenn der Pfarrer wieder einmal von Migräne, seiner dauernden dunklen Begleiterin, geplagt worden ist. Als daher 2007 Pfarrer Funk Bubsheim verließ und die Realisierung der Seelsorgeeinheit anstand, war es für die kirchlichen Gremien nicht allzu schwierig, die Vereinigung der Seelsorgeeinheit durchzuführen und diese mit Leben zu füllen. Pfarrer Amann hat damals im Vorfeld seiner Investitur für die „neuen“ Gemeinden Bubsheim, Egesheim und Reichenbach, eine Idee entwickelt und umgesetzt, die ganz typisch für ihn ist: er hat sich in jeder der Gemeinden einen Tag aufgehalten, Gottesdienst gefeiert, Betriebe, Schulen und Kindergärten be- und das Gespräch mit den Menschen gesucht.
Der Anfang der Seelsorgeeinheit mit sechs Gemeinden wurde erleichtert durch Vikar Walter Humm, der damals seine Ausbildung unter Pfarrer Amann in der Seelsorgeeinheit abschloss. Im Lauf der Jahre bekam Pfarrer Amann in Gemeindereferentin Sylvia Straub, Pater Alois Dumler, Superior Steven Michael und Pater Ankit vom Dreifaltigkeitsberg noch eine ganze Reihe guter und kompetenter Mitarbeiter.
Einen Höhepunkt seines Wirkens setzte Pfarrer Amann noch vor dem Zusammenschluss der Seelsorgeeinheit im Jahr 2006 in Zusammenarbeit mit der Seelsorgeeinheit am Lemberg. Das Lebensfestival „Mit Gott zündet’s“, eine mit großem Aufwand durchgeführte Gemeindemission der Gemeinschaft Emmanuel aus Altötting, fand über die Heuberggemeinden hinaus große Aufmerksamkeit. Es hat in den beteiligten Kirchengemeinden eine Aufbruchstimmung hervorgerufen und vieles bewegt. Als sichtbares Zeichen sind die seither gefeierten „Lebensfestival-Nachbrenner“ zu verstehen, die in wechselnden Formen und auf die einzelnen Orte verteilt jährlich eine Woche lang durchgeführt wurden und erst in diesem denkwürdigen Jahr der Corona-Pandemie zum Opfer fielen.
Höhepunkte waren aber vielfach auch schon einzelne Sonntags- oder Festgottesdienste, bei denen Pfarrer Amann seine Predigt gern mit Zeichen und Symbolen veranschaulicht und erlebbar gemacht – oder auch mal gern mit einem Witz aufgelockert – und damit seine Zuhörer besonders gefesselt hat. Ganz neue liturgische Formen hat Johannes Amann auf dem Heuberg bekannt und beliebt gemacht; unvergessen sind Morgenlob, die eindrucksvollen Taizé-Gottesdienste oder die jährlich am Vorabend des Heilig-Geist Festes in Königsheim gefeierte Pfingstvigil, bei der der hl. Geist in Wort und Gesang angerufen wird und die Herzen durch stimmungsvolle Beleuchtung und das Abbrennen des Pfingstfeuers berührt werden. Die Spiritualität des hl. Franziskus und die franziskanische Verbundenheit des Pfarrers fand einen Ausdruck in den Tiersegnungen, die jedes Jahr am Franziskusfest, dem 3. Oktober, stattfanden und zu welchen die Gläubigen ihre Haustiere von Hund und Katz über Meerschweinchen, Pferde, Lamas und Ziegen bis hin zu Goldfischen brachten und unter den Schutz Gottes stellten.
Unvergesslich ist eine Aktion Amanns, in der er die soziale Verantwortung seiner „Schäfchen“ wachrüttelte und auf unser aller Verantwortung für die Menschen der dritten Welt hinwies: nach einem Besuch bei seiner „Klostertante“, einer Franziskanerin aus Sießen in der Mission in Südafrika, ließ Pfarrer Amann an das schöne Böttinger Pfarrhaus aus Brettern und Wellblech eine Slum-Hütte anbauen, den südafrikanischen Armenbehausungen nachempfunden. Darin soll er sogar einmal genächtigt haben, aber wichtiger als ihre Funktion als Wohnraum war die Hütte in ihrer Symbolkraft. Wochenlang fand dort jeden Freitagnachmittag eine kurze Andacht mit Berichten Benachteiligter statt; Flüchtlinge aus der dritten Welt kamen da zu Wort wie auch langfristig Kranke. Sensationell aber war der Abschluss der Aktion: Bei einem „Jeder bringt was mit“- Fest bogen sich die Tische unter einer Vielzahl kulinarischer Köstlichkeiten aus aller Welt – und aufgrund der dabei gesammelten Kollekten gab es auch für die Armen neben der Solidarität etwas Geld.
Wie er bei dieser Aktion das soziale Gewissen angestupft hat, so hat Pfarrer Amann sich in den vergangenen 15 Jahren gern im Mitteilungsblatt als „Stupfer“ betätigt und verbal seinen Finger auf Missstände gelegt, Veränderungen angeregt, Neues initiiert … 2009 traf die Wirtschaftskrise die Drehteilehersteller auf dem Heuberg mit voller Wucht, was Pfarrer Amann dazu brachte, mit einer Aktion darauf hinzuweisen und symbolhaft Fürbitte vor Gott zu tragen. In allen Gemeinden wurden Drehteile gesammelt und daraus Rosenkränze geknüpft, die beim gemeinsamen Gottesdienst der Seelsorgeeinheit in jenem Jahr vorgestellt worden sind.
Auch den Bischof durfte Pfarrer Amann in der Seelsorgeeinheit begrüßen. Bischof Gebhard Fürst verbrachte einen sehr informativen und interessanten Tag mit den Kirchengemeinderäten und Gremien der Seelsorgeeinheit in Bubsheim.
Unvergesslich sind die Festgottesdienste bei großen Musikfesten, „beim Heuberger“ oder bei der Fasnet. Pfarrer Amann hat sich dabei nicht nur als großer Fußballfan und Fastnachter geoutet, sondern es gelang ihm immer wieder, die Menschen über diese Milieus anzusprechen und in Bann zu schlagen. Er hat in diesen Jahren bei keinem Heuberger und bei kaum einer Dorffasnet gefehlt und fand hier ein weites Feld der Seelsorge, die Möglichkeit, Menschen anzusprechen, die den Weg in die Kirche nicht mehr finden. Seinen Fasnets-Rap von der Kirchenbank wird keiner vergessen, der ihn gehört hat – ein Stupfer und ein Kunstgenuss.
Auch eine große Heimkehr fiel in die Zeit des Pfarrers auf dem Heuberg. 2006 wurde eine schon 1972 aus der Wallfahrtskirche in Aggenhausen geraubte Heiligenfigur wiedergefunden und – obwohl die Mahlstetter sie zuerst nicht erkannten – konnte die hl. Agatha in einem feierlichen Gottesdienst an ihren angestammten Platz in der Friedhofskirche zurückkehren.
Bevor er seinen Dienst auf dem Heuberg angetreten hat, ist Pfarrer Amann einem Herzenswunsch gefolgt und als Pilger nach Santiago de Compostela gezogen. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch die Seelsorgeeinheit unter seiner Verantwortung einige große, wichtige und prägende Pilgerfahrten durchgeführt hat. So machte eine beachtliche Gruppe 2007 in Rom und Padua die Erfahrung der Gemeinschaft als Seelsorgeeinheit, Erfahrungen mit der franziskanischen Spiritualität des hl. Antonius und der Weltkirche in der ewigen Stadt. 2009 folgte ein Besuch bei der Gottesmutter in Lourdes und beim hl. Pfarrer in Ars und 2011 die ganz erlebnisreiche Fuß-Bus-Pilgerfahrt zum hl. Jacobus nach Santiago. 2017 ging ein Wunschtraum von Pfarrer Amann in Erfüllung und die Pilgerfahrt zum hl. Franziskus, der ihm besonders am Herzen liegt, wurde möglich. Alle vier Reisen sind und bleiben unvergessen, haben die Pilgernden gestärkt und die Gemeinschaft der Seelsorgeeinheit gefestigt.
Auch weniger Erfreuliches darf aber in diesem Rückblick nicht fehlen. 2011 war der 50. Geburtstag von Johannes Amann, und die Gremien waren damit beschäftigt, ihm ein schönes Geburtstagsfest zu bereiten, als eine Nachricht wie eine Bombe einschlug: Pfarrer Amann war mit einem Burnout erkrankt und brauchte erst einmal eine Auszeit. Zu viel Energie hatte er in den Monaten zuvor in die Seelsorge und in seine sechs Gemeinden gesteckt, zu viel gegeben und sich nicht geschont; da gab es Burnout zum Geburtstag. Dafür durften die sechs Gemeinden am 23. Juni 2013 das silberne Priesterjubiläum ihres Pfarrers bei einem feierlichen Gottesdienst und anschließenden Fest um Kirche und Pfarrhaus in Böttingen mitfeiern.
Der Gottesdienst zum Silberjubiläum fand in der erst im Jahr zuvor neu renovierten Böttinger Martinskirche statt. Die Durchführung der Renovation, Umbaumaßnahmen, technische und künstlerische Neugestaltung der Kirche 2012 und der Außenanlagen mit Kirchenvorplatz und Pfarrgarten 2019 waren umfangreich und arbeitsaufwendig. Kirche und Kirchplatz sind sehr gelungen und ansprechend gestaltet worden und erfreuen sich großer Beliebtheit – und das Zentrum der Seelsorgeeinheit erhielt durch die Baumaßnahmen einen würdigen Mittelpunkt. Aber nicht der Bauherr macht Pfarrer Amann aus, wie eine seiner Ideen im Zusammenhang mit der Kirchenrenovation deutlich macht: er schlug vor, die neugestaltete Kirche eine Woche lang „warm zu beten“. Sieben Tage lang wurde von Gruppen und Einzelnen durchgehend in der Kirche gebetet, gesungen und gefeiert, um den Ort als spirituellen Platz, als spirituelles Zentrum einzuweihen.
Vieles noch hat sich in den 16 Jahren ereignet, vieles wäre anzumerken, wie 2012 die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Professor Bernhard Häring, die jedes zweite Jahr veranstalteten Feste für die Ehrenamtlichen, die Schülergottesdienste, Firmungen, zwei aufwendig vorbereitete Visitationen …, aber ein Rückblick kann nur Linien zeichnen, nicht das Leben getreu abbilden.
Seine 16 Jahre Wirken in den sechs Heuberggemeinden lassen sich am besten in zwei Zitaten von Pfarrer Amann selbst fassen und zusammenfassen. 2007 sagte er bei der Investitur in Bubsheim: „Ich bin auf den Heuberg gekommen, um den Menschen nah zu sein“. Und am 21. Juni 2013 aus Anlass seines silbernen Priesterjubiläums sprach er von einer Gotteserfahrung, in welcher er Gottes Zusage erfahren hat: „Ich will dich nicht als Kopie von anderen, sondern als Original mit deinem Wesen, deiner Art, inmitten deiner Grenzen.“
Unser Pfarrer Amann war uns nah, war den Menschen auf dem Heuberg nah, und er war uns nah als der Mensch, der er ist. Er ist keine Kopie – man müsste sagen: er ist ein Original, wenn dieser Begriff nicht etwas zwielichtig wäre – er ist ein Original im guten Sinn: unverwechselbar als Person und unverwechselbar in seinem Wirken. Die Heuberger können sich glücklich schätzen, dass er 16 Jahre lang ihr Pfarrer war – und noch ist!
Quellennachweis: Redaktion Hoppla Heuberg
Heuberg aktiv e.V.
www.heuberg.de